Es ist schon unglaublich oder? Wenn wir wirklich ehrlich zu uns sind können wir heutzutage beinahe alles haben. Keine Generation zuvor hatte so viele Möglichkeiten im Leben wie wir es derzeit haben.
Man muss zugeben, das Jahr 2020 hat uns diesen Lebensstil etwas versaut, aber insgesamt dürfen wir uns wohl doch nicht beschweren.
Keiner zuvor hatte so viel wie wir … von allem!
- Es gab noch nie so eine große Auswahl an Produkten die wir kaufen können
- Es gab noch nie so eine große Auswahl an Dienstleistungen die wir in Anspruch nehmen können
- Es gab noch nie so viele Möglichkeiten zu Reisen
- Es gab noch nie ein so großes Freizeit- und Kulturangebot
- Es gab noch nie eine so große Flexibilität in der Arbeitswelt – anstatt einen Job in einer Firma wechseln viele von uns Beruf und Branche in regelmäßigen Abständen
Das sind nur sehr wenige Beispiele von dem was wir alles haben oder haben können. Aber macht uns all das wirklich glücklicher? Ist es überhaupt noch möglich etwas zu genießen, wenn man in jeder Sekunde eine von tausenden Möglichkeiten auswählen sollte.
Die Qual der Wahl – und warum ich eigentlich gerne zum Diskounter einkaufen gehe
Kennst du das Gefühl wenn du bereits beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf überfordert bist. Ich denke, da sollten wir mal ehrlich zu uns selber sein: benötigen wir wirklich 15 verschiedene Sorten von Ketchup oder 30 verschiedene Sorten von Marmelade oder Konfitüre.
Wenn ich bei jedem Produkt so viele Möglichkeiten habe, dann wird der ganz normale Einkauf bereits zu einer Belastungsprobe. Mit jeder Entscheidung für ein Produkt, entscheide ich mich automatisch gegen hunderte andere Produkte im Regal.
Mir persönlich wäre es lieber wenn mir diese enorme Auswahl nicht immer angeboten wird. Manchmal frage ich mich wie es überhaupt so weit gekommen ist.
Das Beispiel skizziert aber nur den örtlichen Handel. Richtig spannend wird es erst beim Online Shopping.

Ich wollte nur mal schnell eine neue Trinkflasche bei Amazon bestellen!?
Beim Einkaufen im Internet wird das Überangebot in unserer reichen, westlichen Welt auf ein neues Level gehoben. Schon mal versucht eine Trinkflasche bei Amazon zu kaufen? Man sollte meinen das ist eine einfache Aufgabe, dabei gibt es tausende verschiedene Produkte. Welches erfüllt nun die speziellen eigenen Wünsche. Was sind überhaupt die eigenen Wünsche?
Zu Beginn will man einfach nur eine Flasche kaufen. Der Umwelt zu liebe. Endlich sage ich den PET-Flaschen den Kampf an. Zudem ist Wasser ohnehin viel gesünder.
Dann erfährst du, dass es für die Flasche so einige unterschiedliche Materialien gibt. Mit allen Vor- und Nachteilen versteht sich. Vor dem Kauf sollte man unbedingt auch über die neuartigen Schließmechanismen bescheid wissen.
Ob die Trinkflasche mit oder ohne Siebe, mit oder ohne Tragschlaufe, 100% auslaufsicher oder gar unzerbrechlich ist, sind Eigenschaften die man hoffentlich ohnehin schon vor langer Zeit geklärt hat.
Stunden später: Ich suche noch immer nach der passenden Trinkflasche. Ich bin wohl verrückt.
Letzten Endes habe ich die Möglichkeit eine von 9.000 Trinkflaschen zu bestellen. Die Farbvariationen und unterschiedlichen Größen sind dabei vermutlich nicht einmal hinzugerechnet.

Wenn ich Glück habe, werde ich eine von diesen 9.000 Flaschen bereits morgen in meinen Händen halten können. Keine Sorge! Falls sie nicht passt, darf ich sie natürlich kostenlose zurücksenden und das Spiel beginnt von vorne.
Ich bin entscheidungsmüde – dabei will ich das alles gar nicht!
Vor ein paar Stunden wollte ich auf einem Webshop den ich betreue ein paar Produktbilder hochladen. Einfach ein paar Bilder in einer Reihe sollten es sein.
Schnell kam mir die Idee das doch etwas cooler darzustellen. Ich sehe es doch auch laufend in anderen, professionellen Online Shops. Ich muss auf den Zug aufspringen und auch alles anbieten was irgendwie möglich ist.
Ich könnte einen schönen Hover Effekt hinzufügen. Den Titel und eine kurze Beschreibung erst anzeigen lassen wenn ein Benutzer mit der Maus über das Produktbild hovered. Auf mobilen Geräten wird das aber so nicht funktionieren. Also doch eine andere Lösung ????
Wenn ich auf das Bild klicke, könnte ich es in einer Lightbox öffnen lassen. Womöglich ist es aber ohnehin besser die Bilder in einer Art Karussell rotieren zu lassen. Für Tablet oder Smartphone könnte ich die Bilder separat darstellen.
Ein paar Stunden später habe ich noch immer keine Lösung. Nein, ich bin weiter von einer Lösung entfernt denn je zuvor.
Ich wollte doch nur ein paar Bilder hochladen. Das sollte doch nicht länger als ein paar Minuten dauern.
Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten! Und zwar gefühlt von allem. Dabei ist es nur natürlich, dass auch ein gewisser Druck aufkommt diesen Möglichkeiten nachzukommen. Es ist schließlich schon auch reizvoll.
Früher war doch alles besser.
Alle pessimisten
Du kennst diesen Spruch doch bestimmt auch – „Früher war doch alles besser„. Und manchmal fühlt es sich doch auch wirklich so an. Dabei werden wir aber schön reingelegt, denn in Wirklichkeit ging es uns noch nie so gut wie heute.
Was ich aber durchaus beneide ist das einfachere Leben von früher. Ich habe dieses einfachere Leben auch (zum Teil) beim Backpacking durch Südostasien selber erleben dürfen.
Das einfache Leben beim Backpacking durch Südostasien zeigte mir, dass man eigentlich nur sehr wenig benötigt, aber …
Weniger ist meistens mehr. Es ist jedoch schwierig weniger zu akzeptieren wenn man in einer Welt lebt in der alles verfügbar ist. Insbesondere wenn es in dieser Welt von allem zu viel gibt. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen kann ich sagen, es ist ein GENUSS weniger zu besitzen. Und es ist ein Genuss wenn es zur Abwechslung weniger Auswahl gibt. Aber ob das noch immer der selbe Genuss ist, wenn man weiß dass es für immer ist?!
Nach meiner langen Reise zurück in unserer Wohlstandswelt ist es nicht mehr ganz so einfach mit wenig zufrieden zu sein. Warum ist das plötzlich viel schwieriger?
Es ist wohl nicht einfach zu beantworten und vermutlich eine Kombination von vielen Dingen. Mitunter vergleichen wir uns doch auch immer mit den Menschen die uns umgeben.
Im Englischen gibt es da eine netten Ausdruck dazu: „Keep up with the Joneses“ was so viel bedeutet wie mit den Nachbarn mitziehen wollen bzw. das haben wollen was andere auch haben.
Keep up with the Joneses.
Bedeutet: Das haben wollen, was andere haben
War man bisher zufrieden mit seinem Garten, so fühlt man sich auf einmal unzufriedener wenn der Nachbar einen Pool installiert und darüber hinaus noch jedes Wochenende eine Poolparty schmeißt.
In ärmeren Ländern haben die Menschen insgesamt weniger. Meiner Erfahrung nach gibt man sich dann selber automatisch mit weniger zufrieden. Irgendwie könnte man den Schluss daraus ziehen, dass man mit weniger Besitz und weniger Möglichkeiten glücklicher ist – aber so einfach ist es dann doch auch wieder nicht.
Vielleicht benötigt es noch so einige unterschiedliche Reisen und Lebensphasen um das ganze irgendwann mal zu verstehen. Derzeit denke ich aber, dass wir von allem zu viel haben, und in Wahrheit alle schön langsam verrückt werden dabei (ich habe zumindest bereits damit begonnen).